Thomas Steininger und Katrin Karneth über Prozessbewusstsein und Dialog.


Dialog ist überall. Wenn ich hier in meinem Arbeitszimmer aus dem Fenster sehe, fahren die Nachbar-Kids mit ihrem Go-Kart unsere kleine Straße bergab. Neben dem dazugehörigen Gejohle kommt es zu manchem flüchtigen Blickkontakt. Manchmal fachsimpeln die Kids mit mir auch über die Straßenlage der Go-Karts. Wir leben eben im selben Lebensraum und wir haben unsere eigene Art von Dialog. Am Frühstückstisch schätze ich das Gespräch über die Schlagzeilen der Zeitung; in der Arbeit den Gedankenaustausch über wichtige gemeinsame Entscheidungen. Ok, die U-Bahn Untertags ist mehr ein Platz für flüchtige Blickkontakte als für Gespräche, ganz anders dafür der Abend – bei einem Glas Wein gibt es hier auch Zeit für sehr persönliche Themen. Gespräche prägen unseren Alltag.

Was passiert eigentlich in unseren Gesprächen? Natürlich, wir tauschen uns aus, wir begegnen uns. Aber in Gesprächen geschieht noch viel mehr. Wir erschaffen uns eine Welt. Wenn Sie Ihren Kindern (oder auch den Nachbar-Kids) beim Spielen zuhören, merken Sie, wie sich hier ein ganzes Kinderuniversum öffnet, mit Dingen und Wesen, die es nur im Universum von Kindern gibt. Und gleichzeitig kennen Sie andere Dinge und Verhältnisse aus Ihrer eigenen, erwachsenen Welt, die im Universum dieser kindlichen Gespräche nicht existieren. Auch die Welt von Jugendlichen ist eine eigene Welt. Wir können uns vielleicht noch gut an sie erinnern, aber wir leben nicht mehr in ihr.

Die Gespräche zwischen Kindern erzeugen ihre eigene Welt. Unsere Straße ist manchmal voll davon. Diese Kinderwelt gibt ihr einen eigenen Flair. Genauso erzeugt die trotzig launige Sprache von Jugendlichen ihre eigene Welt. Auch unsere Gespräche erzeugen ihre eigene Welt. Sind wir uns dessen bewusst? Ein guter Teil jeder bewussten Dialogkultur besteht ja genau darin zu bemerken, dass wir im Dialog immer eine bestimmte Welt erschaffen, ein Bewusstseinsfeld, dass das Feld von Kindern sein kann, ein Feld von Erwachsenen, oder auch von an Philosophie interessierten Menschen. Unsere Gespräche erschaffen eigene Bewusstseinsfelder, eigene Welten.

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Eine meiner Gewohnheiten ist es, regelmäßig zu meditieren – oft auch gemeinsam mit Freunden. Meditation ist ja nichts Anderes, als im eigenen Bewusstsein diese innere Freiheit zu üben – diese innere Freiheit von genau der Welt, in der man gewohnt ist zu leben, diese Welt, die man sonst mit den eigenen Gedanken, Gefühlen und Gewohnheiten dauernd aufrechterhält. Meditation ist eine Übung, um still zu sitzen und all diese Gewohnheiten des Geistes für eine bestimmte Zeit loszulassen. Was mich immer wieder erstaunt, ist die Erfahrung, wenn ich gemeinsam mit Freunden nach einer Meditation aufstehe und wir danach vielleicht gemeinsam eine Tasse Tee trinken. In diesem Zeitraum nach einer Meditation ist dieser innere Raum der Meditation zwischen uns noch so stark anwesend, noch so wahrnehmbar. Einerseits ist es ein Nachklang der Meditation, andererseits ist es etwas, dass man durch die Art und Weise des Gesprächs fördern, vertiefen, aber auch zerfallen lassen kann. Es braucht Achtsamkeit und eine Wahrnehmung dafür, dass zwischen uns immer ein zwischenmenschliches Feld lebendig ist, um diesem Begegnungsfeld gerecht zu werden. Dieser gemeinsame Raum existiert eigentlich immer, auch in intensiven Arbeitsgesprächen oder in einem sehr persönlichen Austausch; und er hat immer bestimmte Eigenschaften: offen und kreativ oder widersprüchlich und verengt. Er kann eine kindliche Welt, eine erwachsene, selbstverantwortliche Arbeitswelt oder auch ein gemeinsames Bewusstsein widerspiegeln, das ein Interesse an einer meditativen Praxis verbindet.

Es ist die Kultivierung dieses gemeinsamen Raums, dieses menschlichen Miteinanders, die einen Dialog zu einem evolutionären Dialog macht.

Thomas Steininger

 

Dialog

Thomas Steininger: Die Tatsache, dass wir miteinander sprechen, ist uns so selbstverständlich, dass wir selten darüber nachdenken, was es eigentlich heißt, im Dialog zu sein. Aber unsere Gespräche, unsere Begegnungen, sind ein wesentlicher Teil unseres Menschseins. Wenn wir uns begegnen, in welchem Bewusstsein begegnen wir uns dann? Ist da mehr oder weniger Bewusstsein? Wir könnten jetzt viel darüber sprechen, was mit „mehr oder weniger Bewusstsein“ gemeint ist. Doch gleichzeitig kennen wir alle Situationen, in denen wir uns als wacher erleben, und Situationen, in denen wir nicht wirklich präsent sind. Wir kennen Situationen, in denen wir eine große Perspektive halten, und solche, in denen wir die Welt eher mit einem Tunnelblick wahrnehmen.

Katrin Karneth: Ja, oft führen wir Gespräche und sind uns nicht bewusst, was wir miteinander teilen oder worin wir uns begegnen. Erst wenn wir uns dafür interessieren, bewusst zu sein, uns zu entwickeln, entsteht in uns ein Interesse daran, unsere Aufmerksamkeit auch dafür zu schärfen, was im Gespräch, im Dialog, möglich ist.

TS: Unsere Gespräche sind Ausdruck davon, wer wir sind. Geleichzeitig sind sie auch Ausdruck eines kulturellen Umfelds, in dem wir leben. Was wir Kultur nennen, kann man ja auch als eine große Anzahl von Gesprächen verstehen. Wenn jemand im Fernsehen spricht oder wenn Menschen Bücher schreiben – das ist alles Kommunikation, das ist eine Art von Gespräch. Es können Bücher sein, die Menschen vor 500 Jahren geschrieben haben, oder das Internet – unser zwischenmenschliche Austausch begleitet und formt uns als Menschen. Sind wir uns dessen bewusst – zumindest im Hinterkopf –, dass alle unsere Gespräche Teil dieses großen kulturellen Stroms sind? Jedes Gespräch ist ein Teil unserer Geschichte. Jeder Dialog formt wiederum Geschichte.

KK: Dialoge sind auch immer Begegnung. Wenn wir miteinander sprechen, kann ich das als Begegnung einzelner Menschen erfahren. Aber da ist viel mehr: Da ist der/die Einzelne, da ist das Umfeld, die Kultur, die Zeit usw. In einer evolutionären Dialogpraxis geht es auch darum, dass wir all die verschiedenen Dimensionen unseres Menschseins in unsere Begegnung mit einbringen.

TS: Du sprichst hier bereits eine der wesentlichen Qualitäten einer evolutionären Dialogpraxis an. Viele Kommunikationsformen fokussieren sich berechtigterweise auf das, was im eigenen Inneren geschieht, was im Gegenüber geschieht, wie sehr wir uns treffen, ob uns ein gemeinsames Ziel oder eine gemeinsame Absicht verbindet. Im evolutionären Dialog versuchen wir jedoch, ein Gespräch zwischen mehreren Menschen nicht nur als eine Begegnung zwischen Einzelnen zu sehen. Denn jede Begegnung findet in einem Bewusstseinsfeld statt. Dieses Feld, das zum Beispiel in einem Gruppengespräch entsteht, hat viele Dimensionen – es umfasst die gerade Beteiligten, aber auch all die Dimensionen, die du angesprochen hast. Und wenn man genau darauf achtet, sieht man auch, dass sich dieses Feld gewissermaßen von uns als Individuen unterscheidet. In unserem Austausch öffnet sich ein Zwischenbereich, ein Miteinander. Dieses Zwischenmenschliche, das man auch als „Feld“ beschreiben kann, entsteht aus dem Bewusstsein, das wir miteinander teilen. Und gleichzeitig ist dieses Feld auch ein Feld unter Feldern. Wie wir zuvor gesagt haben, da sind wir, da ist unser Umfeld, unsere Kultur, unsere Zeit und letztendlich die ganze menschliche Geschichte. Sind wir uns dieses vieldimensionalen Feldes zwischen uns bewusst? Wenn wir uns begegnen, ist da viel mehr, als eine rein persönliche Begegnung.

KK: Wenn ich anfange dieses Feldes wahrzunehmen, verschiebt sich meine Aufmerksamkeit von zu meiner persönlichen Innenwahrnehmung, meinen Meinungen und Vorstellungen von dem, wer ich glaube in Begegnung mit jemandem sein zu müssen oder darstellen zu wollen, zu diesem Feld. Unsere Aufmerksamkeit kann sich auf dieses gemeinsame Feld richten und von dem Moment an sehen wir auch das Gegenüber anders. Wir sind zwar einzelne Individuen, gleichzeitig ist hier etwas, das wir gemeinsam halten. Wir erkennen: Wir sind auch dieses größere Ganze. Wir sind auch der Dialog.

Die Gesprächspraxis, die wir als evolutionären Dialog bezeichnen, stellt dieses Begegnungsfeld in den Mittelpunkt: Wir begegnen uns in einer Gesprächssituation. Wir sehen uns und die anderen, unsere Eigenheiten und unsere Individualität. Aber darüber hinaus nehmen wir wahr, dass sich durch Begegnung ein Raum bildet. Und dieser Bewusstseinsraum enthält ein Potenzial. Etwas wird durch unsere Begegnung möglich. Das können neue Einsichten, neue Erfahrungen oder auch neue Fragen sein. Niemand von uns wäre allein in der Lage, diese Möglichkeiten zu sehen. Sie entstehen erst in unserer Begegnung.

Die Begegnung schafft diese Möglichkeiten. Sie sind durch das geprägt, was wir jeweils in die Situation einbringen, aber sie sind auch davon beeinflusst, wie wir in der Begegnung daraus ein gemeinsames Ganzes bilden. Auf dieses Ganze, das durch uns entsteht – ausgesprochen oder unausgesprochen –, können wir reagieren. Das ist der entscheidende Punkt: Wenn wir uns dessen bewusst werden, dass zwischen uns ein Raum entsteht, einfach weil wir uns begegnen, habe ich die Möglichkeit, meine Aufmerksamkeit auf etwas Neues zu richten, auf eine lebendige Wirklichkeit, die aus dem menschlichen Miteinander entsteht.

KK: Wenn ich dieses Miteinander wahrnehme, merke ich auch, da ist ein Zug – dieser gemeinsame Bewusstseinsraum zieht. Er will etwas. In unserem Miteinander entsteht eine zwischenmenschliche Kreativität, eine zwischenmenschliche Intelligenz.

TS: Ja, dieser Zug oder Sog, den du ansprichst, kommt nicht aus mir, sondern aus der Begegnung. Ich kann diesen Sog wahrnehmen, weil ich wahrnehmen kann, wie durch unsere Begegnung eine neue Möglichkeit entsteht. Es ist eine attraktive Möglichkeit; sie hat eine Anziehungskraft – sie will realisiert werden, und zwar durch uns. Etwas will durch unsere Begegnung von einer Möglichkeit zu einer Wirklichkeit werden. Vielleicht ist es eine neue Erkenntnis, eine Einsicht oder eine tiefere Wahrheit. Aber weil es etwas ist, das uns als wertvoll erscheint, hat es für uns diese Anziehungskraft. Das ist aber nur dann möglich, wenn wir unsere Aufmerksamkeit von uns selber frei halten und uns auf diese gemeinsame Wirklichkeit zwischen uns einlassen.

KK: In diesem „evolutionären Raum“ zwischen den Menschen, die an einem solchen Dialog beteiligt sind, öffnet sich etwas, das wir vorher nicht sehen konnten. Wir entwickeln ein Bewusstsein für etwas, das man Möglichkeitsraum nennen kann. Darin können wir auch alle Inhalte, die wir im Leben anpacken müssen, auf eine neue Art und Weise gestalten. Um das gemeinsam zu tun, braucht als allererstes Training. Man muss sich dieses Raumes zwischen uns überhaupt erst einmal bewusst werden.

TS: Diese Art von evolutionärem Dialog, von der wir hier sprechen, ist ja zutiefst mit der Meditationspraxis verbunden. Meditation spielt meines Erachtens dafür eine sehr unterstützende Rolle. Meditation unterstützt, dass wir uns auf diese neue Art begegnen können.

Meditation ist eine Praxis der inneren Freiheit. In der Meditation ist es möglich, uns als zutiefst bewusst wahrzunehmen, ohne uns von irgendwelchen Inhalten ablenken zu lassen. Das ist leicht gesagt, aber letztendlich ist Meditation eine wirkliche Kunst. Jede/r Meditierende weiß, sobald man diesen inneren Freiraum im Bewusstsein halten möchte, strömt alles in unserem Bewusstsein auf uns ein, um uns in „der Welt“ zu halten. Meditation ist die Kunst des bewussten Loslassens.

Wenn das gelingt, wenn Meditation gelingt, komme ich mit einer anderen Grundlage in eine Gesprächssituation mit anderen Menschen. Meditationspraxis erleichtert es mir, nicht nur mich und meine Perspektive zu sehen. Man lernt Bewusstsein viel direkter wahrzunehmen – Buddhisten würden sagen, dass wir das Bewusstsein viel mehr in seiner Leere wahrnehmen. Anders als in der Meditation ist Bewusstsein im Dialog in Bewegung. Es entfaltet sich im Dialog durch Einsichten, Öffnungen, Weitungen, Klarheiten, größere Perspektiven. Dieser Entfaltungsprozess wird zwar von Individuen gehalten, ist aber ein Prozess für sich. Wir können unser Wollen ganz auf diesen Bewusstseinsprozess und seine Entfaltung richten. Wenn das gelingt, gelingt evolutionärer Dialog.

KK: Die Meditation ist eine Hilfe für dieses Loslassen, das dann evolutionäre Dialoge ermöglicht. Man kann für diese Dialogform einige Hilfsmittel an die Hand geben, wie zum Beispiel den Hinweis, in einem Gespräch genau hinzuhören, was in diesem menschlichen „Zwischenraum“ geschieht. Letztlich kommt es aber darauf an, dass ich mich diesem Feld, diesem Prozess, authentisch zur Verfügung stelle.

TS: Die evolutionäre Dialogpraxis hat meiner Ansicht nach verschiedene Dimensionen. Da ist einerseits eine radikale Tiefendimension, die durchaus die Qualität einer spirituellen Erfahrung hat. Genauso wie sich in einer tiefen Meditation das ruhende Bewusstsein seiner selbst bewusst wird, wird sich im Dialog Bewusstsein als Prozess bewusst.

Evolutionäre Dialoge haben aber auch ganz handfeste Potenziale für unser tägliches Miteinander: in allen Bereichen, seien es unsere Partnerschafts-Beziehungen, unsere Freundschaften oder unsere Arbeitsverhältnisse. Kommunikation wird immer dann gehemmt, wenn wir nicht wirklich gemeinsam das wertschätzen, was zwischen uns als Potenzial entsteht. Persönliche Eitelkeiten und Vorurteile haben dann einen größeren Wert als das, was zwischen uns und durch unsere Begegnung möglich wird.

Es ist ganz egal, wo wir anfangen, es kann auch ein kleines handfestes sachliches Potenzial in einer normalen Arbeitssituation sein. Wenn wir irgendeine Aufgabe gemeinsam lösen wollen, sind wir dafür da. Dann haben wir die Bewusstseinskraft, die Bewusstseinsweite und die Wahrnehmung, um uns diesem gemeinsamen Potenzial zur Verfügung zu stellen. Wenn das gelingt, entstehen zwischen uns ganz andere Arbeitsverhältnisse, einfach weil wir die menschliche Reife und seelische Tiefe haben, um gemeinsam den richtigen Fokus zu setzen.

Im evolutionären Dialog fokussieren wir uns weniger auf unser eigenes, persönliches Potenzial, sondern mehr auf das Potenzial des Miteinanders. Aus einer evolutionären Bewusstseinsperspektive ist das Leben – unser Leben miteinander – etwas Ungeteiltes. Es ist nicht mein Leben, dein Leben oder ihr Leben. Es ist ein Ungeteiltes, das von unseren unterschiedlichen Qualitäten getragen wird. Sind wir willens, dieser Ungeteiltheit des Lebens wirklich Vorrang zu geben und diese Haltung als Miteinander zu pflegen? Darin liegt meines Erachtens das Potenzial des evolutionären Dialogs.

KK: Ja, hier ist wirklich die Entscheidung gefragt: Welcher Dimension gebe ich Vorrang? Dem, was ich als Einzelner einbringen kann, oder dem Potenzial, das sich durch unser Zusammenkommen zeigen will? Es braucht beides, aber was hat den Vorrang? Um hier eine evolutionäre Haltung zu kultivieren, braucht es neben einer Praxis der inneren Freiheit auch eine tiefe Entsagung von unserer so lieb gewonnenen Selbstbezogenheit.

TS: Ja, und das erfordert spirituelle Praxis. Wir können den evolutionären Dialog auch als spirituelle Praxis üben. Man kann für diese Praxis einige einfache Leitgedanken formulieren. Einer davon ist zum Beispiel, dass es in diesen Dialogen hilft, mehr an dem interessiert zu sein, was ich noch nicht weiß, als an dem, was ich schon weiß. Das ist eine Grundregel des evolutionären Dialogs. Wir lenken unsere Aufmerksamkeit von all dem, was wir wissen – von all unseren Gewissheiten – auf die Dimension des Unbekannten, die immer entsteht, wenn wirkliche Begegnung geschieht. Wirkliche Begegnung öffnet immer eine Dimension des Unbekannten zwischen uns. Wir müssen durch das Dickicht unserer Gewissheiten und Sicherheiten hindurch, um im Noch-nicht-Wissen etwas zu erkennen, das sich erst jetzt in unserer Begegnung zeigt. Dieses Interesse ist die zweite Regel, die entscheidend ist: mehr an dem interessiert zu sein, was sich zwischen uns zeigt, als an dem, was in mir persönlich abgeht.

KK: Wenn ich von diesem Potenzial zwischen uns berührt bin, ist ja auch sofort dieser Impuls da: Du willst daran teilnehmen. Du willst in Dialog treten.

TS: Damit sprichst du gleichzeitig eine weitere Grundregel der evolutionären Dialoge an, die einfach heißt, sich aktiv einzubringen. Das klingt trivial, ist es aber nicht. Das Erstaunliche ist, dass sich die Welt in dem Augenblick radikal ändert, wenn ich den Zuhörerplatz verlasse und mich einbringe. Die Grundlage des evolutionären Dialogs liegt in der Aktivität. Ein Dialog kann beim Zuhören nur von außen wahrgenommen werden. Die Innenwahrnehmung des Dialogs eröffnet sich in dem Augenblick, wo ich mich beteilige. Leben und Evolution sind aktiv. Sie leben nicht im Zuhören und Zuschauen. Es gibt eine besondere Qualität des Sicheinbringens. Sie eröffnet eine eigene Dynamik. Wir erleben es immer wieder in den Dialogen; es wird dann eine kritische Masse im Gespräch erreicht. Das Gespräch wird selbsttragend, weil sich genügend Menschen einbringen. Es gibt Phasen, in denen man das Gefühl hat, das Gespräch muss noch getragen werden – und auf einmal wird es selbsttragend.

Bewusste Evolution lebt aus unserem Sicheinbringen, aus unserer Hingabe an den Lebensprozess. Martin Buber hat darauf hingewiesen, dass jede wirkliche tiefe Ich-Du-Beziehung eine Dreierbeziehung ist. Gott ist ihr dritter Teil. Durch ihn werden unsere Ich-Du Beziehungen wirklich authentische Beziehungen. Aus der Sicht einer evolutionären Spiritualität kann man durchaus sagen: Gott lebt im Prozess. Es ist diese gemeinsame Hingabe an den Prozess, die unsere menschlichen Beziehungen zu authentischen, evolutionären Beziehungen werden lassen.

 

Bio

KATRIN KARNETH ist erfahrene Lehrerin und Visionärin einer evolutionären Spiritualität. Katrin wuchs in der ehemaligen DDR und wurde als Optiker-Meisterin ausgebildet, später arbeitete sie in Führungspositionen und war COO von emerge Bewusstseinkultur e.V Deutschland/Schweiz. Sie ist Ko-Gastgeberin des Radio Radio evolves und gibt Workshops und Seminare über evolutionäre Spiritualität in den deutschsprachigen Ländern, u. a. auch speziell für Frauen.

 

EnlightenNext Impulse 09

 

Radio Gespräch über Evolutionäre Dialoge: http://bit.ly/2sErhft